Zunächst vielen Dank an die Initiatoren dieser Website! Es ist wichtig, trotz aller weltpolitischen Ereignisse, auf die Diskussion nicht zu vergessen, wie man unsere Demokratien vor Angriffen aus dem Inneren schützen kann.
Ganz offensichtlich sind die westlichen Demokratien in einer Krise. Warum ist das so?
Niemand weiß das genau. Ein möglicher Grund könnte aber sein, dass sich die Menschen nicht mehr vertreten fühlen, und die Demokratie emotional als „Selbstzweck“ einer machtbesessenen Elite wahrnehmen. Die Menschen fühlen sich zunehmend nicht mehr in der Mitte der Demokratie stehend, sondern missbraucht vom „Deep State“, also einem Machtklüngel, das in Wahrheit das Land beherrscht – und zwar ohne demokratische Legitimation. Die Firma Signa ist ein plakatives Beispiel: Ein Machtmensch im Zentrum, der Milliarden scheffelt (wie das in so kurzer Zeit geht, weiß niemand), und wer hilft ihm dabei? Ehemalige höchstrangige Politiker, die er am Kuchen mit geradezu unsittlich hohen Honoraren beteiligt. Die nunmehrige Schadenfreude am Scheitern ist durchaus nachvollziehbar. Die Politik für das allgemeine Volk hingegen ist lähmend: Sie wird nur noch als aggressive Auseinandersetzung wahrgenommen, nicht aber als Wettbewerb der besseren Ideen. Mit anderen Worten: Die da oben richten es sich unter Mithilfe gekaufter Politiker, während das normale Volk nicht ernst genommen wird, sondern nur noch von allen Parteien manipuliert wird, um an der Macht zu bleiben. Es geht ausschließlich um die eigene Macht, nicht um das Wohl und die Zukunft des Volkes.
Demagogen spielen mit dieser Frustration und vermitteln ganz offen: Das „System“ ist gegen euch, wir allerdings sind das Volk, wir sind von euch, wir verstehen euch, aber die da oben missbrauchen euch nur.
Man kann gegen Demagogen leidenschaftlich mit Worten und Argumenten ankämpfen, aber ändern wird sich nichts. Wenn wir Glück haben, ist unser System so stark, dass es sich selbst reinigt: Dann nämlich, wenn die Demagogen wieder einmal in der Regierung sitzen und sich dann der von ihnen geschürte Hass gegen „die da oben“ gegen sie selbst richtet. Dann zeigt sich, dass sie doch nicht das Volk sind.
Wichtig ist also die Vermittlung des Gefühls, dass dieser Gegensatz – das System einerseits und das Volk andererseits – nicht stimmt. Daher sind die derzeitigen Proteste gegen „Rechts“ so wichtig: Jeder spürt, dass die Demagogen doch nicht das (ganze) Volk sind, als das sie sich ausgeben. Weil es hunderttausende andere gibt, die zwar aus dem Volk sind, aber doch nicht den Demagogen folgen; im Gegenteil, sie gehen sogar auf die Straße, um das „System“ zu verteidigen, obwohl sie nicht Teil des Systems sind. Das überzeugt unbewusst. Dort, wo viele sind, fühlen sich Menschen hingezogen. Man will ja nicht alleine bleiben.
Sollte all das aber nicht funktionieren, haben wir nur noch einen Rettungsanker: Eine unabhängige und funktionierende Justiz. Sie soll uns heilig sein! Nur eine unabhängige Justiz kann uns vor allzu wild gewordene Politiker schützen, wenn wir als Wähler schon nicht selbst in der Lage sind, sie abzuwählen. So wie gerade in Israel. So wie in den USA, wo ein Trump bald wieder zum US-Präsidenten gewählt werden könnte – die einzige Kraft, die ihn letztlich daran hindern kann, ist die Justiz. Nicht umsonst wollen Autokraten wie in Ungarn, Polen und Israel die Justiz unter ihren Einfluss bekommen, weil sie ihnen gefährlich werden könnte. Hören wir auch bei uns genau hin: Wenn ein Politiker von „Politjustiz“ spricht, weil er selbst gerade in deren Visier geraten ist, müssen die Alarmglocken schrillen: Die Justiz wird damit der Willkür bezichtigt. Ein perfider Vorwurf, denn gerade die Justiz soll uns ja vor Willkür schützen. In fast jeder Partei gibt es Leute, die solcherart argumentieren. Sie greifen damit die Fundamente unserer Demokratie frontal an. Denn ohne Rechtsstaatlichkeit gibt es keine Demokratie. Hören wir genauer hin, dann erkennen wir die wirklich üblen Menschen in der Politik. Das aufzuzeigen ist im Übrigen einer der Aufgaben der freien Medien, der 4. Gewalt im Staat. Kein Wunder also, dass es in autokratischen Ländern – wie Ungarn, aber bisher auch in Polen – mittlerweile eine sehr eingeschränkte Pressefreiheit gibt.
Dr. Bernhard Huber, Rechtsanwalt in Linz/Österreich