Ad primum
Alfred Hubers Opus 39, „Resistenza“, wurde von seiner Beschäftigung mit dem Aufstieg und Fall des Faschismus in Italien inspiriert. Es ist ihm außerordentlich zu danken, dass er als Mahner gegen Intoleranz und Unmenschlichkeit musikalisch dieses Zeichen setzt und zusammen mit seinem Umfeld diesen Blog ermöglicht.
Auflösung der Weltordnung
Die jüngsten weltweiten Ereignisse lassen die Vermutung aufkommen, dass unsere mehr oder weniger gut funktionierende, wertegestützte Ordnung in Auflösung begriffen ist. Als Hüter dieser für uns bequemen, demokratischen Grundordnung der westlichen Welt hat Amerika wohl in Zukunft ausgedient. Es droht America first. Doch was tritt an die Stelle der bisherigen bipolaren Machtverteilung zwischen Ost und West? Eine Ordnung, die auf wirtschaftlicher Macht und Rechtsbindung basierte, ist zusammengebrochen. Ordnungszerfall führt historisch gesehen zu Kriegen. Rationale Menschen führen eigentlich keine Kriege, da es immer nur Verlierer gibt, nicht zu unterschätzen ist jedoch die Macht des Irrationalen. Das imperiale Bestreben Russlands, zu alter Größe des Zarenreiches oder der Sowjetunion zurückzukehren, ist einerseits irrational, andererseits aber auch Ausdruck klarer geostrategischer und von Putin seit Jahren immer wieder geäußerter Überzeugungen. Der Wunsch nach einer Welt der Freunde und des Wandels durch Handel, wie er ab 1989 insbesondere in Deutschland bestand, hat sich nicht erfüllt.
Die neuen Akteure
Es spricht Vieles für die These von Herfried Münkler, dass eine neue Ordnung nur durch ein Zusammenwirken der fünf großen, neuen Weltmächte USA und Europa als Vertreter des demokratischen Westens, China und Russland als autoritäre Staaten des Ostens und Indien als Führungsmacht des globalen Südens funktionieren kann. Dabei muss bedacht werden, dass Werte nicht universell sind, sondern Normen! Eine außenpolitische „Pädagogisierung“ wird dabei genauso wenig hilfreich sein, wie die naive Vorstellung, dass Verhandlungen einen Krieg sofort beendigen könnten. Die Geschichte hat leider das Gegenteil gezeigt. „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“ (Schiller, Wilhelm Tell).
Die Rolle Europas
Europa muss zu einem wichtigen, politischen Akteur werden. Aus einem kaum beweglichen, bürokratischem Verwaltungsapparat muss ein aktiver Gestalter der Zukunft unseres Kontinents werden. Zu viel Blockade von zu vielen Staaten darf Europa nicht lähmen. Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien müssen ihrer Führungsrolle gerecht werden, nur mit gemeinsamer Stimme wird Europa gehört und respektiert werden. Und dabei ist es essentiell, dass Populisten, Neofaschisten und Verschwörungstheoretiker aller Couleur keine Bedeutung bekommen. Denn dies würde nur den imperialen Großmachtfantasien eines Wladimir Putin in die Hände spielen.
Dr. Christian Riedl, Arzt in Lindenberg/Allgäu